Könizer Zeitungs Artikel


Danke Salome Guida für den spannenden Artikel!

Experte im Kaffeekosmos

Er ist Vize-Schweizermeister im Kaffee-Aufgiessen, lebt von dieser Kunst und ist leidenschaftlicher Vermittler, wenn es um die Welt der Kaffee-Geschmacksnuancen geht. Nicola Schäppi erzählt über selbst mineralisiertes Wasser, mit Hefen fermentierte Bohnen und Ananasgeschmack im Filterkaffee.

Eine Übernachtung auf der Couch von Brian in Durham, USA, verändert die Welt von Nicola Schäppi. Genauer gesagt: der Kaffee, den Brian ihm am Morgen serviert. «Das hatte nichts mit dem klassischen Kaffee zu tun, wie ich ihn kannte. Er war so anders, dass ich ihn nirgends einordnen konnte; ich wusste nicht einmal, ob ich ihn gut finde oder nicht. Es waren so viel mehr Geschmacksnuancen wahrnehmbar, nicht nur Caramel oder das Nussige, wie wir es vom italienischen Espresso her kennen», erzählt er. Heute, zwölf Jahre später, wohnt er mit seiner Familie in Schwarzenburg. Nun ist er der Experte im Kaffee-Universum und bringt anderen die Welt näher, die Otto Normalkaffeetrinker normalerweise «sensorisch verpassen».

Vom Grafik- zum Kaffeedesign

Während eines einjährigen USA-Aufenthalts vertieft sich Schäppi in die neu entdeckte Welt: «Es zog mich richtig rein.» Zurück in der Schweiz ist eigentlich geplant, wieder als Art Director zu arbeiten, wie bereits die Jahre vorher. Doch er will in die Kaffeebranche. Er baut das Coffee Lab in Zürich mit auf und wirkt als Qualitätsmanager für eine Vertriebsfirma von Kaffeemaschinen. Während dieser Zeit bereitet er sich für die Kaffee-Schweizermeisterschaften vor. Es gibt verschiedene Disziplinen: Rösten, Barista, Latte Art, Cup Tasting oder Brewers Cup, also das Aufgiessen von Kaffee, worin sich auch Schäppi beweisen will: «Beim Filterkaffee ist es viel einfacher, in die Geschmäcker einzutauchen. Allerdings auch viel schwieriger, einen guten Kaffee hinzubekommen.»

«Selbstgemachtes» Wasser

Dies fängt bei der Auswahl der Kaffeebohnen an: Der Kaffeeexperte degustiert während Monaten Bohnen, die er entweder direkt von Kaffeebauern importiert oder über spezialisierte Händler bezieht. Weiter geht es um die richtige Wassertemperatur; dabei wird nicht einmal die Zusammensetzung des Wassers dem Zufall überlassen. Schliesslich kann die Chemie – hauptsächlich der Kalk – den Geschmack des Kaffees stark beeinflussen. «Calciumcarbonat katalysiert die Extraktion und neutralisiert Säuren, so erleben wir bei hartem Wasser einen bitteren, flachen Kaffee», erklärt er. Die «Brewer» versuchen also, ihr Wasser so zu designen, dass die gewünschten Eigenschaften des Kaffees eine möglichst gute Plattform erhalten. Am einfachsten werde dazu destilliertes Wasser in Lebensmittelqualität mit Mineralien angereichert. Die meisten Mitbewerber extrahieren mit 60 bis 80 ppm (parts per million), Schäppi hingegen arbeitet mit einer tiefen Mineralität von nur 14 ppm: «Dadurch kann ich viel Klarheit aus dem Kaffee herausholen.» Daheim nutzt er Schwarzenburger Hahnenwasser, dessen Mineralien – meist hat es um die
250 ppm –  er herausfiltert.

Zeitnahe Weiterverarbeitung

Doch schmecken Laien den Unterschied überhaupt? «Oft höre ich von Teilnehmenden meiner Schulungen, ihre Sensorik sei nicht so gut», erzählt Schäppi. Doch es sei jeweils erstaunlich, was sie wahrnehmen können. Filterkaffee bei Nicola Schäppi ist auch nicht gleich dem Filterkaffee aus der heimischen Küche. «Es fängt schon bei den Bohnen an, die im Supermarkt erhältlich sind», erläutert der 37-Jährige. Durch die langen Distributionswege seien die Kaffeebohnen vor einem halben Jahr oder noch länger her geröstet worden. «Ich hingegen empfehle bei den von mir gerösteten Bohnen, sie innerhalb von drei Monaten zu nutzen.» Ebenso wichtig: «Nach dem Mahlen sollte das Pulver innert 30 Sekunden verarbeitet werden.» Denn das Mahlen setzt ätherische Öle frei; der Geschmack löst sich über relativ kurze Zeit buchstäblich in Luft auf.

Erlebnis Kaffee

Der Kaffeeexperte verkauft in seinem Onlineshop «Coffee Space» seinen selbst gerösteten «Meisterschafts-Kaffi», mit dem er Vize-Schweizermeister wurde, aber auch andere Bohnen. «Ich röste meine Raritäten-Linie jeweils – und zwar erst nach Bestellungseingang – Chargen von 80 Gramm. Dafür brauche ich 17 bis 20 Minuten.» Grössere Schweizer Röstereien schaffen in dieser Zeit 240 kg Kaffee – «da liegen ganz andere Margen drin.» Doch ihm geht es darum, nicht nur Kaffee, sondern ein Erlebnis zu verkaufen. Ein Erlebnis, bei dem man nicht einfach ein Wachmachergetränk zu sich nimmt, sondern bei jedem Schluck Nuancen von Ananas, Edelbitterschokolade oder Hagenbutte entdeckt. Kaffee, der sein Terroir wiedergibt, zum Beispiel vulkanischer Boden. Oder dessen Bohnen durch Fermentation und Kalt- und Warmduschen auch sehr delikate Aromen enthalten. Auf den Sommer hin plant er, mit einem «Coffee Spaceship» Festivals oder Firmenanlässe zu besuchen. Er möchte seine über zehn Jahre Erfahrung für viele Menschen erlebbar machen: «Die Kaffeewelt ist riesig – es gibt noch so viel zu entdecken.»

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